Am 2. März 2003 hat Erzbischof Prof. Dr. Ludwig Schick bei seinem ersten Pontifikalamt
in der Gebetsstätte Heroldsbach folgende Predigt gehalten:
Liebe Schwestern und Brüder,
hier in der Kirche von der Muttergottes der Göttlichen Gnade, liebe Mitchristen auch oben in der Rosenkranzkapelle, Sie sind aus nah und fern, auch aus Fulda und sogar aus meiner Heimat hierher gekommen. Ich grüße Sie alle, und ganz besonders grüße ich und bedanke ich mich bei Pater Dietrich, der diesen Gottesdienst mit vorbereitet hat. Ich freue mich, dass der Ortspfarrer, Pfarrer Kraus, mit uns die heilige Messe feiert und vor allem auch, dass der Obere von Pater Dietrich, die hier das Heiligtum und diese Gebetsstätte seelsorglich betreuen und begleiten, Pater Johannes von den Augustiner Chorherren, hier bei uns ist.
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist noch kein halbes Jahr vergangen, dass ich im Erzbistum Bamberg Bischof sein darf. Der Heilige Vater, der Stellvertreter Christi auf Erden, hat mir diese Aufgabe übertragen. Er hat mir seinen Segen erteilt und begleitet mich mit seinem Gebet und seinem Wohlwollen, das er mir erst vor kurzem wieder, am 7. Februar, bei einer Privataudienz mitgeteilt hat. Ich möchte meinen bischöflichen Dienst im Erzbistum Bamberg mit allen meinen Kräften, so gut ich kann ausüben, und ich bitte auch Sie um Ihr Gebet. Sie haben schon viel für mich hier gebetet, tun Sie das auch weiterhin. Ich habe die vergangenen fünf Monate in erster Linie dazu benutzt, die Diözese kennenzulernen, das heißt ihre Personen und Institutionen von Hof bis Ansbach, von Neukirchen am Sand bis Neustadt an der Aisch. Von Anfang an war es mir ein Anliegen, möglichst bald auch hierher nach Heroldsbach zu kommen.
Heute Morgen habe ich zunächst in der Pfarrkirche, die dem heiligen Michael geweiht ist, die Eucharistie gefeiert, und jetzt hier. Ich möchte zunächst meine Wertschätzung und meinen Dank ausdrücken allen, die hier die Gebetsstätte errichtet haben. Ich sage Vergelt’s Gott denen, die hier in der Kirche in echter Frömmigkeit die eucharistische Anbetung oft Tag und Nacht pflegen. Ich danke denen, die hier für sich und andere, für Kirche und Welt beten, und denen, die sich hier selbst zum wahren Gott in Jesus Christus bekehren und durch Gebet und Buße zur Bekehrung anderer beitragen. Ich spreche Dank und Anerkennung allen aus, die hier als Seelsorger wirken zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen.
Ich danke auch meinem Vorgänger, Erzbischof Karl Braun, der diesen Ort zur Gebetsstätte erhoben hat, und auch unserem verehrten Weihbischof Werner Radspieler, der sich auch in schwierigen Zeiten dieses Ortes und der Menschen hier stets angenommen hat. Ich bin dankbar für alles Gute, das in den vergangenen Jahrzehnten hier geschehen ist. Ganz besonders danke ich für die Verehrung der Gottesmutter Maria, der ich mich zutiefst verbunden weiß und der ich das Erzbistum Bamberg und mich selbst sowie die ganze Kirche immer wieder besonders im Rosenkranzgebet anvertraue.
Ich weiß auch um die Schwierigkeiten, Verwirrungen und Verletzungen, die hier geschehen sind. Ich möchte alle bitten, dem heiligen Paulus zu folgen, der im Philipperbrief schreibt: „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist“ (Phil 3,13). Wirkliche Zukunft, Schwestern und Brüder, hat nur der, der die Vergangenheit wirklich hinter sich lässt, aber nicht, indem er sie einfach unter den Teppich kehrt, das geht nicht. Wirklich die Vergangenheit bewältigen und hinter sich lassen, muss immer heißen, sich mit den Menschen, mit den Ereignissen und mit dem Schicksal, das die Vergangenheit auferlegt hat, zu versöhnen. Wer das tut, der wird fähig, sich auf Neues einzulassen und die Zukunft zu gestalten.
„Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist.“
Liebe Schwestern und Brüder,
ich setze Erwartungen und Hoffnungen in diese Gebetsstätte Heroldsbach für unser Bistum und für die Kirche. Welche? Das innigste Anliegen, das der Heilige Vater zu Beginn des neuen Jahrtausends in seinem Apostolischen Schreiben „Tertio millennio ineunte“ genannt hat, ist die Neuevangelisierung. Wir leben, und damit sage ich Ihnen nichts Neues, in einer Zeit, in der der Glaube an den guten Gott, die Verehrung Gottes und seines Sohnes Jesus Christus, die Befolgung der Gebote, angefangen von den Zehn Geboten bis hin zum Gebot der Nächsten- und der Feindesliebe, wir leben in einer Zeit, in der die würdige Feier der Sakramente, das Gebet und das Leben mit der Kirche Jesu Christi abnehmen. Christliche Moral und Wertvorstellungen schwinden in Ehe und Familie im gesellschaftlichen und politischen Leben. Die christliche Zivilisation der Liebe weicht dem Egoismus, der Ungerechtigkeit, der Gewalt und der Genusssucht. Die Heiligkeit wird durch die Sünde verdrängt, und die Kultur des Lebens droht in einer Anti-Life-Mentalität zu sterben. Neuevangelisierung ist nötig mehr denn je, und sie bedeutet: Glaube, Hoffnung und Liebe sich neu schenken lassen, diese erneuern und verlebendigen. Diesem Zweck, Schwestern und Brüder, soll Heroldsbach in Zukunft dienen. Gott will für uns eine gute Zukunft, er will Leben in Fülle für uns alle. Er ruft uns dazu zu Bekehrung und Umkehr und Neubeginn auf.
Sie wissen, liebe Mitchristen, dass mein bischöflicher Wahlspruch lautet: „Sapientia nobis a Deo“. Jesus Christus ist die Weisheit, die Gott uns gegeben hat. Dieser Wahlspruch aus dem 1. Korintherbrief besagt, daß in Ihm, in unserem Herrn, im Sohn Gottes, uns alle „Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“ (1 Kor 1,30) gegeben ist. In Ihm, unserem Heiland und Erlöser, hat Gott sich uns geschenkt und uns alles geschenkt (vgl. Röm 8,32). In keinem anderen Namen ist die Rettung und das Heil zu finden, so heißt es in der Apostelgeschichte (vgl. Apg 4,12).
Die Sendung Mariens, der Mutter voll der Gnaden, besteht nach allen biblischen und kirchlichen Zeugnissen darin, uns Jesus Christus zu schenken und auf Ihn hinzuweisen, ihren Sohn, den Sohn Gottes. Er ist die Weisheit, die uns Gott gegeben hat. Maria hat Christus geboren und den Dienern in Kana aufgetragen: „Was Er euch sagt, das tut!“ Maria hat im Laufe der Geschichte immer wieder Christus in die Herzen der Menschen hineingeboren, und sie hat auf Christus verwiesen. Das will die Gottesmutter auch hier in Heroldsbach wirken. Ihn in unsere Herzen bringen und in die Herzen vieler Menschen, ja aller, und uns sagen: Was Er euch sagt, das tut. Das ist die Sendung Mariens von Anfang an und wird sie sein bis zur Wiederkunft des Herrn in Herrlichkeit.
Heroldsbach soll und möchte die Muttergottes verehren, und hier möchte sie uns zu Jesus Christus hinführen. Hier soll eines der Zentren der Evangelisierung und Neuevangelisierung in unserer Erzdiözese, in der Kirche Deutschlands und in der Weltkirche entstehen. Ich möchte diesem Ort, in Absprache mit dem Heiligen Stuhl, den Titel geben: „Mater divinae sapientiae, Maria, Mutter der Göttlichen Weisheit.“
Hier soll die Eucharistie fromm und ehrfürchtig, so wie es die katholische Kirche vorschreibt, gefeiert und verehrt werden. Hier soll das Bußsakrament empfangen werden. Hier soll die Hinwendung zu Gott erneuert werden und immer wieder verlebendigt werden.
Hier soll die Heiligkeit in der Kirche immer deutlicher aufstrahlen. Die Heiligkeit, ich habe es von Anfang an in meinem bischöflichen Dienst hier in Bamberg gesagt, die Heiligkeit ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen, und gerade junge Menschen zur Kirche hinfinden. Und die Heiligkeit besteht darin, dass wir mit Gott und untereinander verbunden sind und in Jesus Christus unser Lebensglück finden und unser Leben nach Ihm ausrichten. Hier soll auch der Rosenkranz gebetet werden, der dem Heiligen Vater – und auch das hat er mir jetzt bei der letzten Audienz neu bestätigt – ein großes Anliegen ist. Er hat dieses Jahr 2002/2003 dem Rosenkranz geweiht. Der Rosenkranz ist ein Gebet, mit dem wir uns Maria an die Hand geben und durch den Maria uns zu Christus, ihrem Sohn hinführt. „Cum Maria vultum Christi contemplari“. Mit Maria das Antlitz Christi betrachten, das ist das Thema und Motto des Rosenkranzjahres. Lasst uns den Rosenkranz, Schwestern und Brüder, oft, täglich, und vor allen Dingen im Anliegen der Bekehrung unserer Jugend, unserer Kinder, der Sünder, der Abgefallenen und Glaubenslosen beten, damit sie Ihn finden, zu Jesus Christus gehen durch Maria und zum guten Gott, der im Heiligen Geist allzeit wirksam ist. Der Rosenkranz soll hier in dieser Kirche und an dieser Gebetsstätte immer neu im Anliegen der Glaubenserneuerung und der Neuevangelisierung gebetet werden.
Mit Maria das Antlitz Christi betrachten. Bei meiner Einführung als Bischof am 21. September 2002 habe ich das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte als Erstlingsgeschenk an das Erzbistum Bamberg austeilen lassen. Ich möchte Ihnen allen, Schwestern und Brüder, heute ein Exemplar mitgeben. Es wird Ihnen im Anschluss an den Gottesdienst ausgeteilt. Es soll ein kleines Geschenk sein und eine Erinnerungsgabe an diesen Tag, aber auch ein Hinweis darauf, was dieser Ort bedeuten soll. Unser Herr Jesus Christus wird von Lukas als Heiland, Arzt der Seelen und Freund der Menschen dargestellt. Auf diesen Christus weist uns Maria hin – suchen sie Ihn. Und in der Apostelgeschichte, dem zweiten Werk des Evangelisten Lukas, wird an einigen Stellen darauf hingewiesen, dass die Gemeinde Jesu Christi ein Herz und eine Seele ist und sein muss, und das muss auch uns prägen in unserem Miteinander, nicht gegeneinander, nicht über- und untereinander sein, sondern miteinander in brüderlicher und schwesterlicher Liebe, vereint in Jesu Christi und unter dem Schutz der Gottesmutter, die auch im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte eine ganz besonders bedeutende Rolle spielt. Und auch deshalb ist mir dieses Evangelium so lieb und so sehr ans Herz gewachsen.
Schwestern und Brüder,
Heroldsbach soll eine Gebetsstätte sein, ein Ort der Glaubenserneuerung und der Neuevangelisierung, ein Ort des Glaubens und der Liebe. Hier soll die Mutter der Göttlichen Weisheit verehrt werden, „Mater divinae sapientiae“. Ich wünsche mir so sehr, dass von hier aus Bekehrung und Heiligkeit ausgehen, in unser Bistum hinein, aber auch in die ganze deutsche Kirche hinein und darüber hinaus in die ganze Weltkirche. Ich wünsche, dass viele Menschen hierher kommen und mit und durch Maria Jesus Christus finden. Ich bitte alle, sich mir in diesem Anliegen anzuschließen, und ich bitte die Gottesmutter, dass sie hier tut, was sie immer getan hat: zu Jesus Christus führen, in dem allein Heil und Leben ist.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich bitte Sie aufzustehen. Ich möchte mein Anliegen im Gebet an die Gottesmutter aussprechen, und ich bitte Sie, mit mir zu beten mit den Worten, die ich jetzt aussprechen werden: |
|